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Januar 2023
Andreas Trommler – Modedesigner, Maßschneider & Dozent
Portrait von Andreas Trommler

Andreas Trommler ist bekannt für seine aufwendigen Kollektionen aus extravaganten Stoffen, Spitze und Seide. Seine Designs lassen sich als eine Gratwanderung zwischen klassischem Understatement und opulenter Exklusivität beschreiben. Im Interview spricht er über seinen beruflichen Werdegang, beginnend in der DDR hin zur Liebe für die Maßschneiderei, und seiner Rolle als Lehrbeauftragter.

Jan

Wie hast du aus deiner Leidenschaft deinen Beruf gemacht?

Andreas Trommler

Ich glaube, das ist wie bei allem, eine Entwicklung. Das Kreative hatte ich schon immer. Ich habe immer irgendwas gemacht, gebaut, gebastelt, schon als Kind. Eigentlich wollte ich keine Ausbildung machen, ich wollte einfach nur erst mal da sein. Aber zu DDR-Zeiten war es Pflicht, dass man arbeitet. Ich komme aus dem Erzgebirge und da gab es wirklich nur entweder Landwirtschaft, Maschinenbau oder Textilindustrie am Fließband. Mehr gab es damals zu der Zeit (1982), als ich angefangen habe, nicht. Im Berufsorientierungscenter in der Kreisstadt habe ich mich damals umgehört und die haben dann gesagt, in Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) gäbe es noch Lehrstellen für Herrenmaßschneider, die aber weiblich ausgeschrieben sind. Ich habe dort angerufen und man sagte mir, dass ich mich auch bewerben könne. Die Lehrstelle habe ich bekommen. Da war ich 16 und es hat mir von Anfang an Spaß gemacht, besonders dieses handwerkliche Tun, etwas schaffen mit Geduld.

Jan

Wie ging’s danach für dich weiter?

Andreas Trommler

Ich habe mich zum Lehrfacharbeiter weitergebildet und vier Lehrlinge ausgebildet bis circa 1985. Dann zog es mich nach Berlin für eine ganze Weile. Dort habe ich Gino Hahnemann kennengelernt. Er hat Filme gedreht, Kurzfilme, hat mit Fotografen zusammengearbeitet und auch geschrieben. Ich war damals seine Muse, kann man so sagen. Ich habe durch ihn ganz viele Leute in Berlin kennengelernt, die mit Kunst zu tun hatten. Das war alles im Untergrund, konspirative Treffen und nicht gern gesehen. Dann bin ich aber erwischt worden von der Polizei am Alex.

Jan

Wobei wurdest du erwischt? Bei welchem Vergehen?

Andreas Trommler

Bei einer Personenkontrolle, da ich keine feste Arbeit hatte und das ging zu der Zeit nicht. Ich bekam Berlinverbot, musste dann zurück in meinen Regierungsbezirk nach Karl-Marx-Stadt und dort wurde mir Arbeit im Hotel angeboten. Aber ich habe trotzdem immer mit der Kunst weitergearbeitet. Nach der Wende gab es ein Projekt, die „Chemnitzer Kunstfabrik“, angelehnt an „the Factory“ von Andy Warhol. Das war ein Kunst- und Kulturprojekt, wobei es immer auch um die Integration und Inklusion von Jugendlichen ging. Dass die dort tun konnten, was sie wollten. Und danach habe ich in Schneeberg studiert. Nach der Wende ging das ja. Im Osten konnten nicht alle studieren und ich hatte kein Abi. Ja, dann habe ich studiert, unter anderem auch in Moskau für ein halbes Jahr.

Jan

Was hast du studiert?

Andreas Trommler

Angewandte Kunst. Und Moskau war der Feinschliff. Da war ich bei Slawa Saizew. Das war DER Modedesigner. Er heißt auch heute noch der „Rote Dior“. Bei ihm habe ich mit einer Freundin im experimentellen Zentrum, also in der Design-Abteilung gearbeitet. Wir haben die Herrensachen gemacht. Man hat uns die Entwürfe von Saizew gezeigt und wir mussten aus den Entwürfen die Schnitte herausfiltern und den Schnitt dann genau so bauen. Mein Russisch war so schlecht, aber mein Musternäher war gehörlos, also haben wir uns mit Händen und Füßen verstanden. Das war sensationell. Und wir haben eben auch gesehen, wie die großen Kleider entstanden sind. Manchmal haben sechs Leute einen Monat daran gearbeitet. Das waren alles fähige Koryphäen. In dieser Zeit habe ich auch die perfekte Verarbeitung von Spitze kennengelernt. Das war schon eine große Erfahrung und Moskau ist eine riesige, schöne und melancholische Stadt.

Jan

Wie bist du dann nach all den Abenteuern in Leipzig gelandet?

Andreas Trommler

Nach dem Studium habe ich mich mit Männer-Kollektionen selbstständig gemacht. Meine Diplom-Arbeit war ja auch schon eine Männer-Kollektion zum Thema der Identität des Mannes am Fuße des Jahrtausendwechsels. Also: Welche Rollenbilder gibt es noch für den Mann? Da hat sich in der Zeit viel getan. Es gab diese androgynen Stereotypen, metrosexuell nannte man das. Mir ging es in der Arbeit auch ein bisschen um die Durchleuchtung des männlichen Bildes. Deshalb eben auch die transparenten Kleidungsstücke, die zeigen, dass da ein Mensch drinsteckt. Egal wie groß das Kleidungsstück ist, es kann was ganz anderes drunter stecken und es ist eben alles nur eine Hülle.

Marie

Das hat mich gerade an Anne Trautweins (ebenfalls eine Interviewpartnerin) Worte erinnert, die sagt, dass Kleidung eben nicht nur eine Hülle ist, sondern im Endeffekt die eigene Persönlichkeit oder den Menschen an sich widerspiegelt und unterstreicht.

Andreas Trommler

Wobei, die Idee von Einheitskleidung fand ich gar nicht ganz abwegig hinsichtlich der Entwicklung mit diesen ganzen Luxusmarken. Dass einige Kinder zum Beispiel Chanel tragen, aber andere wiederum Secondhand-Kleidung. Es wird immer noch ganz schnell bewertet. Wie wäre das, wenn ein Professor das gleiche Kleid oder die gleiche Jacke anhat wie eine Putzfrau? Also ich fände es schon spannend. Das wäre mal ein Projekt. Sowas habe ich mal an der Leipzig School of Design (LSOD) mit meinen Schülern gemacht. Da kam schnell: „Na, das wird meine Individualität zerstören.“ Ich sagte dazu: „Du bist doch hier zum Lernen, das ist doch kein Laufsteg, sondern eigentlich nur ein Zweck.“ So Einheitskleidung, das ist ja wie bei der Armee. Dann wird man nur noch anhand der Striche auf den Schulterklappen unterschieden. Als Philosophie ist das nicht ganz blöd, aber im öffentlichen Leben nicht umsetzbar.

Marie

Du hast grad die LSOD erwähnt. Möchtest du uns mehr über diese Zeit erzählen?

Andreas Trommler

Ja, die LSOD hat sich 2010 gegründet. Das war großes Kino. Ich wurde damals von der Geschäftsleitung angefragt, einen Mode- und Fotografie Kurs aufzubauen als Teil der praktischen Ausbildung. Da habe ich gesagt: „Ja, das klingt spannend“ und mir ein Konzept überlegt. So entstand der Kurs Modedesign Praktikum. Im Kurs haben wir immer ausgehend von einer ganz simplen geometrischen Grundform, mittels einer Modulentwicklung durch Reihung im Raster, ein tragbares Modell gemacht. Da war zum Beispiel auch Papierschmuck, der auf der Grassimesse ausgestellt wurde und ein anschließendes traumhaftes Fotoshooting mit Christoph Eisenarm. Ich habe auch gesehen, wo die Schüler dann hingehen und wo sie mittlerweile alle stecken. Zuerst war ich Fachleiter im Modedesign und die letzten zwei Jahre dann Schulleiter.

Marie

Wie bist du dazu gekommen?

Andreas Trommler

Ich bin gewachsen mit der Schule und ich kannte das Anfangskonzept. Dies war nur eine folgerichtige Entwicklung.

Jan

Hast du einen Schüler, der dir in Erinnerung geblieben ist, den du noch so ein bisschen verfolgst?

Andreas Trommler

Ja, einige. Ich habe auch mit einigen nach wie vor Kontakt. Ich schaue, was meine Schüler so machen. Das ist immer spannend für mich. Was wird aus denen? Was ist der Weg?

Jan

Wie ging es nach der LSOD für dich weiter?

Andreas Trommler

Ich hatte die Schneiderei parallel. Das ist meine Schauwerkstatt. Mir geht es darum, dass die Leute Berührungsängste verlieren, auch vor meinem Namen. Da sehen die, dass ich eben auch arbeite, also dass ich was mache und nicht so eine Person bin, die nur auf dem Opernball rumrennt. Die Leute sollen verstehen, was Handwerk ist, dass etwas gemacht werden muss und dass das nicht irgendwo passiert. Außerdem war ich Projektleiter bei CorEdu, einem Bildungsunternehmen. Für die habe ich Lehrkonzepte erarbeitet, zum Beispiel das Seminar “Paper Folding”. Und ein Jahr arbeitete ich an einem Projekt, das kurz vor der Veröffentlichung steht. Da geht es um Verarbeitungstechniken in der Maßschneiderei, also traditionelle, hochwertige Verarbeitung, aber auch um Nachhaltigkeit. Maßschneiderei ist nachhaltig, weil ich etwas produziere, was man nicht gleich weglegt. Ich verarbeite fast nur Naturmaterialien. Also es liegt eigentlich in der Sache.

Jan

Bei dem Projekt handelt es sich also um Online-Tutorials?

Andreas Trommler

Genau, die werden vom Förderer auf einer Plattform freigegeben und die kann sich jeder in der ganzen Welt anschauen. Das ist, wo wir hinwollen, denn es gibt in der Maßschneiderei keine Lehrbücher für die Praxis. Für die Theorie gibt es Lehrmittel, aber für die Praxis gibt es keine Vereinheitlichung. Am Ende müssen aber bestimmte Qualitätsansprüche erfüllt werden und da gibt es ganz viele Wege hin. Mittlerweile gibt es viele DIY-Videos, bei denen ratzfatz irgendwas zusammennäht ist. Das sieht dann aber auch so aus. Keiner kümmert sich um Qualitätssicherung oder darum, Qualitätsstandards für die Maßschneiderei festzulegen. Was ist denn maßgeschneidert und was nicht? Zusammengenäht ist nicht einfach maßgeschneidert. Und das ist dieses Konzept, was ich mit CorEdu gemacht habe. Das ist ein schönes Projekt, das wir weiterführen wollen. Gerade auch, weil kaum noch jemand Maßschneider ausbildet. Durch Mindestlohn und Abgaben kostet ein Lehrling den Einzelbetrieb viel mehr, als er erwirtschaftet. Und jeder, der wirtschaftlich denken kann, sagt : „Warum soll ich noch einen Lehrling ausbilden?“ Deshalb gibt es so viele private Bildungsträger wie die Macromedia oder die Designschule in Schwerin, die Maßschneider zusätzlich in ihre Ausbildung integrieren.

Jan

Und nun bist du auch an der Macromedia?

Andreas Trommler

Ja, das war ein Zufall. Anne Trautwein und der Campusdirector von der Macromedia wollten wissen, wo die Schwerpunkte in der Ausbildung liegen. Es darf kein Buch mit sieben Siegeln sein. Es gibt eine Lehrverordnung und eine Ausbildungsverordnung und da steht genau drin, was ein Lehrling können muss. Darauf bauen dann auch die Prüfungsfragen und die Prüfungsaufgabe auf. Ich freue mich auf die Aufgabe als Dozent für Kollektionsentwicklung.

Jan

Was würdest du Bewerbern, Berufseinsteigern, Studienanfängern und jungen Menschen, die in diese Richtung gehen, mit auf den Weg geben?

Andreas Trommler

Das Wichtigste ist nicht der große Plan, also wo bin ich in zehn Jahren. In so einer künstlerischen Ausrichtung oder auch in so einer handwerklichen Ausrichtung muss man reinwachsen. Das muss ich mit Herzblut machen. Das muss aus dem Inneren kommen. Ich muss das wollen. Und ich muss auch bereit sein, dafür zu kämpfen, denn der Markt ist dicht. Das ist nicht einfach. Aber das Wichtigste ist das Herzblut, das Brennen für die Sache. Ich will das und ich mache einen Schritt vor den anderen, nicht zehn Schritte weiter. Man muss kontinuierlich bleiben.

Marie

Du warst jetzt viele Jahre als Lehrperson tätig. Was ist deine besondere Verantwortung Schüler*innen gegenüber?

Andreas Trommler

Das ist das, was ich vorhin auch schon mal gesagt habe. Ich betreue auch meine Ehemaligen. Also, ich fiebere da auch immer sehr mit, wenn sie mich in irgendwas involvieren, wo ich begleiten kann. Aber ich greife nicht ein. Da halte ich mich immer sehr raus. Ich hasse auch kluge Sprüche und versuche mich da sehr zurückzuhalten. Ich versuche eher die Leute zu motivieren oder vielleicht auch mal eine Hilfeleistung zu geben. Also sie zu motivieren, zu experimentieren und zu entwickeln. Studium heißt nichts anderes als experimentieren. In der Kunst geht es einfach nicht anders. Learning by Doing ist das Beste. Und man sagt: „ Okay, das ist es jetzt nicht, dann fang ich noch mal an oder mach was anderes, mach was Neues.“

Jan

Du sprichst von Inspiration. Wie sieht es bei dir aus? Was inspiriert dich?

Andreas Trommler

Ich finde einen Ankommens-Ort wichtig, also ein Zuhause. Inspiration findet ein Designer theoretisch überall. Das kann der Kaffee sein, der eine bestimmte Farbe hat. Man schaut als Designer ständig um sich.

Jan

Hast du eine Person, die dich im Leben sehr geprägt hat?

Andreas Trommler

Nein, aber es gibt Leute, die ich für ihre Kreativität sehr bewundere. Das wäre zum Beispiel Alexander McQueen oder John Galliano. Das sind Ikonen für mich. Oder auch Jean Paul Gaultier und Vivienne Westwood. Das sind Visionäre. Das ist großes, großes Kino und das fehlt mir heute manchmal. Man weiß gar nicht mehr, wo die Mode hingehen soll. Nachhaltigkeit ist ein Thema, aber das ist kein Gestaltungsprinzip, sondern da geht es um die Langlebigkeit und richtet sich gegen Fast Fashion. Aber Mode ist so beliebig geworden und da noch eine Nische finden? Im Endeffekt verkaufe ich Begehrlichkeiten. Also keiner braucht einen Maßanzug. Aber die meisten Kunden haben sich das hart erarbeitet. Die wertschätzen das Handwerk und schätzen mich als Handwerker. Das ist so eine Qualität an Kunden, die noch bewusster leben und eben auch nachfragen: „Wo kommt das her? Was ist das für ein Stoff?“ Es wird wahrscheinlich in der Mode demnächst nichts großartiges Neues geben, außer im Flächentextilbereich.

Jan

Was sind deine nächsten Impulse?

Andreas Trommler

Alle sieben Jahre ändert sich das Leben. Ich merke, dass das immer ein Intervall ist. Wo geht es mit mir hin? Was mache ich noch Sinnvolles? Mir ist wichtig: meine Familie, gutes Essen, meine Freunde und die Flexibilität.

Jan

Wo bist du gerne in Leipzig?

Andreas Trommler

Im Maître auf der KarLi. Zu DDR-Zeiten war das schon ein Café. Da war es richtig verranzt, ein Künstlercafé. Heute ist es ein Touristenmagnet, aber nach wie vor stimmt das Ambiente, das Personal ist super und das Angebot ist klein, aber fein. Das ist pfiffig.

Jan

Danke für deine Offenheit!

Andreas Trommler

Ich danke euch!

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