Wie hast du zur Kunst und deiner Berufung gefunden?
Ich selbst gehöre nicht zu den Menschen, die mit fünf Jahren aufgewacht sind und genau wussten, was sie mal werden wollen. Meine Schwester hingegen wusste das damals sehr genau. Sie hat schon mit zwölf für all ihre Freunde Kleidung genäht. Jetzt ist sie Modedesignerin. Meine Mutter hat Kunstgeschichte unterrichtet, also war die Kunst immer unmittelbar in unserem Haus.
Also kommst du aus einer kreativen Familie?
Das kann man so sagen. In meiner Familie gibt es eine kreative Ader. Als Kind war das für mich Normalität und ich dachte ‚So ist die Welt. So sind die Menschen. Die sind alle so unglaublich interessant und können tolle Geschichten erzählen und zeichnen.‘ Beruflich habe ich viele Sachen ausprobiert. Das, was ich in meinem Leben gemacht habe, ist sehr vielfältig und breit gefächert. Aber ich kann heute sagen, alles diente dazu, dahin zu kommen, wo ich heute bin. Alles brachte mich zu dem Ort, wo ich jetzt stehe. Es ist eine unglaubliche Erfahrung und sehr bereichernd.
Erzähl uns von deinen Erfahrungen und deinem Weg zu der Person, die du heute bist.
Ich bin im Süden von Kasachstan geboren. In einer Stadt mit einer Millionen Einwohner und Zentrum für Chemieindustrie. Asien ist etwas ganz anderes. Die Farben, diese Muster und Gerüche, das Essen, alles ist sehr eigen. Mit 16 habe ich mich an einer Uni in Sibirien eingeschrieben. Das war für mich wie eine andere Welt, sechs Monate Winter und Temperaturen bis minus 40 Grad. In Kasachstan wird es im Sommer über 40 Grad warm. Als ich 23 war, bin ich mit meiner Familie nach Stuttgart gezogen. Da habe ich Medienwirtschaft studiert. Ich habe mich mit Kameraaufnahmen beschäftigt und habe gelernt, wie man verschiedene Wirkungen bzw. Stimmungen mit Licht und Schatten erzeugen kann. Seitdem weiß ich, wie man ein Werk richtig in Szene setzt. Seitdem beschäftige ich mich mit dem Thema Wahrnehmungen von Räumlichkeiten. Dies ist mein Thema, das mich begleitet und somit bin ich 2018 Galeristin geworden.
Wir sind heute in deiner Galerie, der MoonArt Galerie. Erzähl uns doch etwas über diesen Ort.
MoonART ist eine Konzeptgalerie, die Geschichten von interessanten Menschen und deren Kunstobjekten erzählt. Ausgestellt werden bei mir Malereien, Zeichnungen, Editionen, Fotografien, aber auch Skulpturen und performative Kunst der unterschiedlichsten Künstler:innen. Ich zeige vier Ausstellungen im Jahr, mit Vernissage und Finissage und eingeladenen Gästen. Ich möchte die Kunst den Besucher:innen näher bringen und greifbarer machen. Während den Ausstellungen biete ich auch individuelle Führungen an, für interessierte Gruppen, Familien oder als Teamevents, bei denen auch Firmen eine besondere Gelegenheit geboten bekommen Kunst zu erleben, sei es die „Weihnachtsfeier mal anders“ oder ein besonderes Firmenevent. Auf Wunsch auch mit einem Glas Wein oder einem hervorragenden Catering. Zum Jahresprogramm gehört auch eine Kinderausstellung. Die Kunstwerke werden umrahmt und wie bei den „großen“ Künstler präsentiert. Die Kinder führen ihre Gäste durch die eigene Ausstellung und erleben Selbstwirksamkeit.
Schön wie du so vielen Künstler:innen auf so unterschiedlicher Weise eine Bühne bieten kannst. Wie sieht es bei dir aus, kannst du als Galeristin deine Kreativität ebenfalls entfalten?
Eine Ausstellung zu kuratieren ist auch ein Kunstwerk in sich. Ich muss den perfekten Platz für ein Werk finden und manchmal sind wenige Zentimeter entscheidend..
Wo wir gerade beim perfekten Platz sind, warst du schon immer hier in der Gottschedstraße?
Nein, meine erste Galerie hatte ich am Burgplatz. Das war ein Glücksfall, dass meine damaligen Freunde dort in die Kanzlei gezogen sind. Dieses schöne alte Gebäude von der Deutschen Bank hat ein großes Atrium, wie geschaffen um Bilder zu präsentieren. Ein paar Wochen später fand ich den Künstler für die erste Ausstellung, den ich nach wie vor in Deutschland vertrete. Sein Name ist Viktor Goryaev. Er kommt aus der Stadt Krywyj Rih in der Mitte der Ukraine, die gerade angegriffen wurde. Seine Werke faszinieren mich damals wie heute immer noch. Ich stelle ihn regelmäßig in meiner Galerie aus. Meine Kundschaft aus Leipzig findet ihn auch unglaublich toll. Ich habe noch nicht erkundet warum, aber vor allem Musiker:innen schätzen ihn sehr. Es gibt sogar ein paar Sammler für seine Kunst in Leipzig.
Wie findest du die Künstler:innen für deine Galerie und nach welche Kriterien suchst du sie aus?
Meine Künstler:innen suche ich überall in der Welt. Dabei sind die Kunstmessen aber auch Instagram meine Instrumente. Häufig finden die Künstler:innen auch mich und werden auf meine Galerie aufmerksam. Für viele bin ich nicht nur Galeristin, sondern fast schon eine Agentin. Wir stricken zusammen eine Entwicklungsstrategie. Wir wachsen zusammen. Darin sehe ich meine Aufgabe - mit den Künstler:innen zu wachsen.
Inspirieren dich die Künstler:innen zu den Thematiken deiner Ausstellungen?
Nicht nur, inhaltlich wird die Thematik der Ausstellungen dem Zeitgeschehen angepasst. Letztes Jahr hatte ich eine Ausstellung zum Thema Berührungen. Dieses Gefühl hat vielen Menschen besonders während der Corona Zeit gefehlt. Neun Künstler aus verschiedenen Ländern: Spanien, Dänemark, Russland, Ukraine, Deutschland, Georgien und Iran, haben sich mit dem Thema Berührungen auf unterschiedlicher Weise auseinandergesetzt. Dieses Jahr widmen wir die Ausstellungen dem Thema Erinnerungen und wie wir von unserer Vergangenheit geprägt werden.
Du sagst, du arbeitest eng mit deinen Künstler:innen zusammen. Wie sieht das mit deine Kund:innen aus? Werden die Bilder hauptsächlich von privaten Sammlern gekauft?
Nein, meine Bilder sollen vor allem gefallen und zum Leben ihrer neuen Besitzer passen. Manchmal ist es einfach Liebe auf dem ersten Blick, aber sie können auch einfach nur einen Raum vervollständigen oder eine nackte Wand beleben. Ich helfe bei der Auswahl und komme auch mit den Kunstwerken in die Wohnung oder Geschäftsräume und die Bilder und Objekte dürfen „probewohnen“. Auch biete ich einige Kunstwerke als Mietobjekte für Büros, Praxen, Kanzleien oder Hotels an.
Neben Bilder stellst du auch Objekte und dreidimensionale Kunst aus. Was hast du dahingehend aktuell in deiner Ausstellung aufgenommen?
Du kannst gerade die Glasvögel und Porzellanzapfen aus der Ausstellung „Gärten“ von einer Künstlerin aus Israel sehen. In meiner Galerie zeige ich auch kleine Skulpturen aus verschiedenen Materialien. Beispielsweise habe ich gerade einen beeindruckenden Künstler aus Leipzig kennengelernt. Er arbeitet mit Beton und Holz. Er macht sehr faszinierende Arbeiten.
Neben den Ausstellungen organisierst du ebenfalls Events in deiner Galerie?
Genau, neben den regelmäßigen klassischen Ausstellungen, die in der Galerie MoonART stattfinden, ist sie auch ein Ort der Begegnung. Bei mir gibt es Künstler:innen-Gespräche, Lesungen, kleine Konzerte und Filmabende. Ich lade regelmäßig zum Künstler:innen-Frühstück ein. Zurzeit ist sogar zweimal in der Woche ein Yogakurs mit Klangschalen in diesen Räumlichkeiten. Meine Galerie ist ein Ort zum Energie tanken mitten in der Stadt.
Wir haben dich damals auf der Designers Open 2019 in Leipzig kennengelernt. Bist du sonst noch regelmäßig auf anderen Events außerhalb deiner Galerie?
Ja, das mache ich gerne. Sie geben mir neue Impulse. Ich sehe dort neue Tendenzen und neue Maltechniken. Ich beobachte seit zwei Jahren, dass sich die Kunst wieder in die figurative, dekorative Richtung dreht. Sie war jahrelang sehr abstrakt.
Warum glaubst du, ist das so?
Wir Menschen brauchen wahrscheinlich diese alte Schönheit, diese Formen, vor allem in unseren turbulenten Zeiten. Wenn wir allerdings in guten Zeiten leben, suchen wir nach etwas Chaotischem. Die abstrakte Kunst ist dafür sehr gut geeignet. Wenn unser Leben und alles um uns herum stabil ist, brauchst du irgendwas, was dich abholt. In turbulenten Zeiten dagegen brauchen wir die Formen, die Farben, die Texturen, die wir kennen. Also die Erinnerungen aus der Kindheit und das zieht uns zurück auf das Wesentliche. In der Abstrakten Kunst würden wir uns wahrscheinlich alle verlieren. Ich mag den Spruch: Kunst ist die Nahrung für die Seele. Genau das ist es! Kunst muss nicht schön sein. Kunst muss ihre Aufgabe erfüllen. In einer Zeit voller Turbulenzen und Unsicherheiten kann Kunst Sicherheit schaffen, eine Basis. Sie muss dich erden. In guten, stabilen Zeiten ist die Kunst provokativ, sie ist performativ. Sie gibt im Prinzip diese Impulse, sich wieder neu zu finden und sich im Leben irgendwie anders zu zeigen. Künstler:innen scheinen einen sechsten Sinn zu haben, sie spüren so etwas.
Gibt es noch etwas das du uns über die Kunst sagen möchtest? Vielleicht auch etwas, dass du jungen Kreativen und angehenden Künstler:innen mitteilen möchtest?
Du solltest dir bewusst werden, was du ausdrücken willst. Trau dich, deine eigene Meinung zu sagen! Vielleicht bist du diejenige, die eine wirklich große Sache im Kopf hat. Wenn du deine Gedanken nicht nach außen trägst, wird niemand davon erfahren. Die zweite wichtigste Sache ist: Du sollst dich auch in der Kunst selbst finden und dich ausgiebig mit dir selbst beschäftigen. Das ist ein Prozess, den man ein Leben lang verfolgen muss. In kreativen Prozessen beschäftigst du dich mit dir selbst, mit deiner inneren Welt und mit deiner Ausdrucksweise. Synergie ist für mich viel wichtiger, als uns als Wettbewerber zu sehen. Immer wieder finde ich großartige Künstler:innen und Galerist:innen und jeder bringt etwas Eigenes mit.
Schöne Schlussworte. Zu guter Letzt, wie findest du Leipzig als Standort? Gefällt dir die Stadt?
Ja sehr! Ich habe schon erwähnt, dass das Thema Wahrnehmung von Räumlichkeiten mich schon seit mehreren Jahren interessiert. Ich mag nicht nur Kunst, sondern auch die Architektur. Bei meinem ersten Treffen mit Leipzig war ich von der Architektur der Stadt angezogen und habe später während des Studiums an der Uni Leipzig einen Semester Architekturgeschichte studiert. Dadurch kenne ich mich in Leipzig ziemlich gut aus.
Hast du einen Geheimtipp oder irgendwelche Orte, die du nutzt, um Kraft zu tanken?
Für mich ist das, wie für viele Leipziger, der Cossi. Ich schnappe mir meine Turnschuhe und laufe einmal um den ganzen See herum. Sehr gut um einfach mal abzuschalten und sportlich aktiv zu sein. Im Winter gibt es zur Belohnung warmen Birnensaft mit Rum.
Wie schön. Danke für deine Zeit und das Interview.
Es war mir eine Freude. Komm jederzeit in meine Galerie vorbei und bringe gerne Freunde mit.
Mehr als ein Wort - wir sprechen über persönliche Wege, Erfahrungen und Visionen. Unsere Interviews porträtieren kreative Leipziger Köpfe und interessante Menschen unserer Stadt. Gemeinsam setzen wir uns für mehr Sichtbarkeit der Mode- und Kreativszene Leipzigs ein.
Mehr