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4. August 2022
Stephanie Wilfert & Maxi Böhme - Designerinnen & Gründerinnen von St’atour

Stephanie und Maxi - die dynamische Doppelspitze des Leipziger Schmucklabels St’atour spricht mit uns über ihre Mission, die Schmuckindustrie zu revolutionieren, ohne dabei den Aspekt der Nachhaltigkeit aus den Augen zu verlieren. Getreu dem Motto „Einfach mal machen“ geben auch diese Beiden hilfreiche Tipps für den Weg in die Selbstständigkeit.

Jan

Erzählt uns doch mal über eure Philosophie und über das, was St’atour ausmacht.

Stephanie

Unsere Philosophie bei St’atour ist weit gedacht. Wir sehen Schmuck nicht als irgendein beliebiges Accessoire, sondern als eine ganz persönliche Angelegenheit. Wir wollen zum einen weg von diesem klassischen Bild, Schmuck ist etwas für Frauen. Und zum anderen hin zu mehr Nachhaltigkeit. Gerade in der letzten Zeit schießen Brands aus dem Boden, die irgendwie immer dieselbe Bildsprache haben. Es ist immer eine junge, attraktive Frau Anfang 20 und Konfektionsgröße 34, liegt am Meer und trägt Schmuck. Das ist etwas, was wir so gar nicht verkörpern wollen. Deswegen ist unser Ansatz ein bisschen universeller gedacht. Wir wollen, dass jeder Schmuck tragen kann. Das heißt, wir bieten Ringe in Größe 47 bis 67 an und unser Schmuck ist unisex. Generell verfolgen wir ein Baukastenprinzip. Du kannst dir jede Kette in unterschiedlichen Längen aussuchen und individuell nach deinen Wünschen mit dem passenden Anhänger zusammenstellen. Wir sind uns aber bewusst und damit gehen wir auch transparent um, dass Nachhaltigkeit in der Schmuck-Zulieferer-Branche de facto sehr schwer ist. Ich frage mich auch immer, wo alle ihr nachhaltiges Silber beziehen und wie sie das zu den Preisen anbieten können.

Jan

Woher bezieht ihr euer Silber?

Stephanie

Wir beziehen Silber von Händlern aus der EU. Es gibt in den letzten Jahren vermehrt Händler, die Eco Silver anbieten. Und das ist dann wirklich zertifiziertes, recyceltes Silber. Das ist ein bisschen teurer im Einkauf. Man bekommt eine Visitenkarte dazu, wo draufsteht Eco Silver. Wobei der Händler, bei dem wir einkaufen, zumindest Mitglied im Responsible Jewellery Council ist. Das heißt, die Arbeitsbedingungen in den Minen sind okay, es gibt keine Menschenrechtsverletzungen, keine Kinderarbeit. Da gibt es Zertifizierungen, das wird überwacht. Das ist uns wichtig. Der Rest ist tatsächlich echt oft guter Glauben. Man guckt sich seine Zulieferer an und fährt dann auch mal hin, um zu schauen, wie die Produktion da so aussieht. Wobei wir auch Ketten von einem deutschen Unternehmen einkaufen, die auch selbst produzieren.

Jan

Recyclet ihr Schmuck?

Stephanie

Wir selber gießen nicht. Maxi hast ein bisschen Angst vor Feuer und ich bin ein bisschen ungeschickt (alle lachen).

Jan

Keine gute Kombi (lacht).

Stephanie

Und deswegen haben wir gesagt, dass wir das zum jetzigen Zeitpunkt erst mal weglassen. Auch solange es hier im Laden noch keine Sprinkleranlage gibt. Wir sind jetzt aber auch nicht der klassische Silber-Ankauf, also wir nehmen keinen alten Schmuck zurück. Es ist aber tatsächlich so, dass schon öfter mal jemanden mit einem Ring von der Oma kommt und dann ist der zu groß oder zu klein, der Stein ist rausgefallen oder eine Kette ist gerissen. Diese Reparaturen bieten wir auch an. Wir sehen halt diesen Nachhaltigkeitsaspekt ein bisschen umfassender. Das heißt, zum einen verwenden wir Sterling-Silberschmuck, den wir selbst vergolden und bieten, aber auch die Möglichkeit an, den Schmuck wieder aufzuarbeiten. Dadurch, dass wir Ketten und Anhänger getrennt anbieten, ist man auch nicht immer gleich gezwungen, ein komplettes neues Schmuckstück zu kaufen, sondern man kann es auf die eigenen Bedürfnisse anpassen. Ansonsten sind wir drauf bedacht, unsere Lagerhaltung so klein wie möglich zu halten. Also wir fertigen trotzdem immer noch viel auf Bestellung an. Wenn wir eine neue Kollektion machen, ist auch immer der Anspruch da, dass die Teile aus der neuen Kollektion auch das bestehende Sortiment ergänzen. Also es ist jetzt nicht so…

Maxi

...dass bei uns irgendwas vollkommen Neues, was sich nicht mit einfügt, entsteht.

Stephanie

Wir machen auch individuelle Anfertigungen. Also du kannst auch mit einer Idee zu uns kommen, die wir versuchen umzusetzen. Wir machen Sonderanfertigungen, Trauringe, Verlobungsringe und so weiter und dann nehmen wir uns auch Zeit für eine Beratung. Die Kunden sind in den Designprozess eingebunden und können sich selber überlegen, wie das Endresultat aussehen soll.

Celina

Gab es da mal ein Projekt, was euch besonders in Erinnerung geblieben ist?

Maxi

Für mich ist es, glaube ich, die Kette von der älteren Dame, weil sie einfach so eine krasse Vorstellung hatte und sich so viele Gedanken gemacht hat. Sie kam mit einem gebastelten Papiermodell, damit ich genau weiß, wie die Anordnung sein soll. Es war wirklich jedes Kettenglied einzeln mit Ösen zusammengefügt. Und dann hat sie sich noch einen alten Verschluss aus Weißgold, ein Erbstück mit einfügen lassen. Also total cool, dass sie es bei uns in Auftrag gegeben hat und so eine genaue Vorstellung hatte, das fand ich beeindruckend. Die war sehr oft hier und hat dann immer wieder nachjustiert.

Stephanie

Kurz nachdem wir aufgemacht haben, stand ein Mann mit dem Verlobungsring seiner Frau hier (lacht). Der Ring war tatsächlich aus der Kinderüberraschung, also aus Plastik und in der Mitte durchgebrochen. Ich weiß nicht, wann sie sich kennengelernt haben, es kann sein, dass dieser Ring einfach schon 10, 15 Jahre alt war. Also die beiden waren schon lange verheiratet und er hat ihn dann aber noch mal hier in Gold in Auftrag gegeben, das war auch süß.

Jan

Wie ist St’atour entstanden?

Stephanie

Ich habe Mediengestalterin gelernt, ein paar Jahre in dem Beruf gearbeitet und habe dann festgestellt, dass es nicht das ist, was ich gerne machen möchte.
Ich hatte sowieso schon immer über Selbstständigkeit nachgedacht, aber mit dem Wunsch, ein bisschen handwerklicher zu arbeiten. Und dann kam die persönliche Not hinzu. Ich hätte zu dem Zeitpunkt gern Schmuck getragen, aber nicht passendes gefunden. Die Heilige Dreifaltigkeit im Schmuck ist: sieht gut aus, qualitativ gut, bezahlbar. Es war immer entweder das, was gut aussah und bezahlbar war, war aber der Billigschrott von H&M, den du zweimal trägst und dann hast du einen grünen Hals von der Kette. Der Schmuck im mittelpreisigen Segment, der qualitativ okay und bezahlbar war, entsprach absolut nicht meiner Ästhetik. Und die coolen Sachen, die konnte ich mir einfach nicht leisten. Dann habe ich einfach erst mal angefangen, mich mit der Materie zu beschäftigen. Wie geht Silber schmieden? Wie macht man Ringe? Wie setzt man Sachen zusammen? Was brauchst du dafür? Ich habe zuerst nebenberuflich angefangen, doch dann kam der Wunsch auf, nur noch Schmuck zu machen. Ich habe mich dann in die Thematik eingearbeitet und 2017 die erste komplette St'atoure Kollektion gemacht. Das war das erste Mal, dass ich eine Kollektion gemacht habe, sonst war ich immer der klassische Dawanda Verkäufer. Zeitgleich in dem Jahr habe ich meinen Job gekündigt und hauptberuflich Schmuck gemacht. Allerdings musste ich schnell feststellen, dass so eine Schmuckmarke alleine zu betreiben eigentlich unschaffbar ist. Im Februar 2019 hatte ich dann eine E-mail von Maxi Böhme im Posteingang.

Maxi

Das bin ich (lacht).

Jan

Was hast du zu dieser Zeit gerade gemacht, Maxi? Wie sah bis dahin dein Werdegang, dein Vorhaben aus?

Maxi

Also ich habe zu der Zeit in Schneeberg Modedesign studiert und habe mich dann 2018 für ein Praktikumssemester bei Luxaa beworben. Das habe ich auch gemacht. Das lief ganz gut. Anne hatte ja auch in ihrem Shop schon Schmuck verkauft. Und dann bin ich damit ein bisschen mehr in Berührung gekommen, weil in meinem Studium war das leider kein fachlicher Punkt, dass wir irgendwie in die Richtung Accessoires gehen. Es ging um Taschen, Schals und sowas, aber Schmuck hat unser Studium leider nicht umfasst. Deswegen war es mir schon ein Bedürfnis, in die Richtung ein bisschen genauer zu gucken. Aber es war etwas schwierig, weil bei einem Juwelier braucht man nicht nach einem Designpraktikum fragen. Da braucht man schon ein Label, was selber auch fertigt und designt und nicht nur weiterverkauft. So habe ich dann Stephanie gefunden.

Stephanie

Maxi war dann ein halbes Jahr bei mir. Und dann dachte ich so, scheiße, die geht wieder zum Studieren, das macht sie bestimmt auch gut. Und dann hatte ich auch noch Luxaa im Nacken sitzen und dachte, oh nein, jetzt schnappt dir Luxaa diese Traumfrau weg. Ich habe Maxi dann zum Mittagessen in den China Brenner eingeladen. Da wollte ich ihr eigentlich einen Antrag zur Geschäftspartnerin machen, war schon aufgeregt, aber das Essen war so scharf, dass es nicht ging (alle lachen). Die ganze Zeit sind mir nur die Tränen gelaufen.

Maxi

Das war echt lustig. Dann haben wir beim Frühstück total unbeholfen darüber gequatscht.

Stephanie

Und dann bin ich aber auch gleich mit der Tür ins Haus gefallen und habe gesagt, ich würde mich freuen, wenn du nach dem Studium wieder zu St'atour kommst und wir das zusammen machen.

Jan

Das heißt, ihr seid beide Inhaberinnen?

Stephanie & Maxi

Ja, genau.

Stephanie

Die GbR gibt es jetzt seit einem Jahr, seit dem 01. Juli 2021.

Jan

Was würdet ihr in dem Bezug anderen Kreativen, die auch den Weg in die Selbstständigkeit oder zum eigenen Label sind, mit auf den Weg geben?

Maxi

Also ich sage ja immer, man macht sich viel zu viele Gedanken.

Stephanie

Na ja, man denkt immer, Sachen müssen 100 % perfekt sein, bevor man damit rausgeht.

Maxi

Ja, das funktioniert aber gar nicht. Man kann das immer noch optimieren. Ich glaube, man muss einfach machen.

Stephanie

Also wenn ich rückblickend noch mal anfangen würde, würde ich mir selber sagen, „Stephanie, mach dir nicht so viele Gedanken, fang einfach an und geh raus damit.“ Weil, wenn das nur in deinem Kopf ist, kriegst du Feedback von Freunden, aber du brauchst auch mal das von Kunden. Und du musst mit etwas anfangen, rausgehen, gucken, wie wird das angenommen? Verkauft sich das? Funktioniert meine Strategie? Wo muss ich nachjustieren? Und das sind Sachen, die kannst du nicht von vornherein wissen. Das geht nicht. Das musst du einfach lernen. Das wäre der eine Tipp. Der andere, den ich noch geben würde, alle Pläne, die man sich macht, seien es Zeitpläne, Finanzpläne oder irgendwelche andere Pläne, wenn man denkt, man hat schon großzügig kalkuliert, noch mal die Hälfte aufschlagen! Immer wenn wir dachten, wir hätten es auch dieses Mal wieder super gut kalkuliert, geil durchgeplant, keine Nachtschichten, Wochenenden.... tja, nein!

Celina

Gibt es für euch persönlich Plätze in Leipzig, die euch inspirieren? Die euch Kraft spenden?

Stephanie

Der hier, also vor unserem Laden sitzen (lachen).

Maxi

Es ist tatsächlich auch die Gegend hier. Ich sitze auch sehr gern abends im PEKAR und trinke einen Wein, einfach weil man sich hier so verankert fühlt.

Stephanie

Ich muss ja zugeben, mein persönlicher Happy-Place, an den ich fahre, wenn es ganz anstrengend ist und ich runterfahren muss, ist das Kraftwerk Böhlen-Lippendorf. Dort gucke ich zu, wie der Rauch aus den Türmen aufsteigt. Eine halbe Stunde kann ich da sitzen (alle lachen).

Jan

Was sind eure nächsten Ziele für St'atour?

Stephanie

Eigentlich ist der Plan, die Innenstädte von diesen unsäglichen Wempe-Juwelieren zu befreien. Das heißt, wir kaufen alle Wempe-Läden und machen St'atour-Läden daraus. Nein, um es ein bisschen kleiner zu denken, es ist zum einen geplant, eine Kollektion zu machen, um diese Nachhaltigkeitssache noch ein bisschen weiterzudenken. Wir sammeln ja jeden Abfall, den wir haben, einfach weil es ein Edelmetall ist und deswegen geht man damit sehr sparsam und vorsichtig um. Und das jetzt schon seit Jahren, das heißt, wir haben ziemlich viel Altsilber und möchten gern daraus eine Kollektion machen. Eher mit organischen Formen.
Die würden wir dann auch nicht alleine machen, sondern in Kooperationen. Dann planen wir permanent jewellery anzubieten, das heißt, dass du dir bei uns Armbänder fest verlöten lassen kannst und diese quasi immer trägst.

Maxi

Also wir verschließen das Armband am Arm und du bekommst es nicht mehr ab. Genau, auch so ein Freundschafts-, Partner-Ding.

Stephanie

Genau, man kann es nicht ablegen. Es ist an dir.

Jan

Das ist cool, das finde ich eine schöne Alternative zu Eheringen.

Celina

Vielen Dank für eure Zeit!

Stephanie

Sehr gern.

Maxi

Danke euch.

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